Molekularpathologische Diagnostik

Tumorevolution von Schilddrüsenkarzinomen zur verbesserten prognostischen Differenzierung und Identifizierung gezielter Therapieoptionen

Schilddrüsenkarzinome (SDKa) lassen sich in verschiedene Subtypen unterteilen wobei das anaplastische Schilddrüsenkarzinom (ATC) über eine der ungünstigsten Prognosen aller menschlichen malignen Tumore verfügt. Die Tumorevolution dieser Karzinome ist bisher weitestgehend unklar, für eine möglichst präzise Therapieentscheidung sind weitere Erkenntnisse jedoch essenziell. Ziel des geplanten Forschungsprojektes ist es daher, die Tumorevolution anhand eines seltenen triphasischen Schilddrüsenkarzinomkollektivs mittels Tiefensequenzierungen systematisch aufzuarbeiten. Zur Identifikation heterogener Tumorklone soll in Vorversuchen zunächst ein umfangreiches SDKa-Kollektiv mittels Multigenanalyse gescreent werden. Im Anschluss werden geeignete Tripletts mit Hilfe einer Exomsequenzierung (WES) analysiert und nach subklonaler Rekonstruktion die Einordnung der klinischen Relevanz linearer sowie nicht-linearer Tumorevolution erarbeitet.

Entwicklung und Validierung eines diagnostischen Algorithmus zur Bestimmung von HRR-Defekten in Ovarialkarzinomen - Untersuchung der zugrundeliegenden molekularen Mechanismen

Ein zugrundeliegender Mechanismus der Krebsentwicklung ist das Auftreten der genomischen Instabilität, die durch genetische Mutationen aufgrund exogener oder endogener DNA-Schäden oder durch Fehler in der DNA-Reparatur verursacht wird. Gesunde Zellen erhalten die genomische Integrität durch eine Vielzahl von Reparaturmechanismen aufrecht, wie z. B. die Mismatch-Reparatur oder die Nukleotid- und Basen-Exzisionsreparatur. Die homologe Rekombinationsreparatur Defizienz (HRD), die zu DNA-Doppelstrangbrüchen führt, gilt als die tödlichste aller DNA-Reparaturdefekte, da Krebszellen zur Reparatur nun die fehleranfällige nicht-homologe Endverknüpfung (NHEJ) nutzen, die die genomische Instabilität und den Zelltod fördert. HRD wird in verschiedenen Tumorentitäten therapeutisch durch Hemmung der Poly(ADP-Ribose)-Polymerase (PARP) genutzt. Die PARP-Inhibition führt zu einer Anhäufung von nicht reparierten DNA-Einzelstrangbrüchen, die während der Replikation in Doppelstrangbrüche umgewandelt werden. Die Kombination aus Mangel an homologer Rekombinationsreparatur und PARP-Inhibition führt zur synthetischen Letalität der Tumorzellen.

Die häufigste Ursache für HRD sind Mutationen in BRCA1 oder BRCA2. Ein großer Teil der Patientinnen mit Ovarialkarzinom ist jedoch HRD-positiv, ohne dass eine BRCA-Mutation zugrunde liegt. Neben BRCA-Mutationen werden auch Veränderungen in anderen HR-relevanten Genen sowie Inaktivierung durch Promotor-Methylierung als Ursache für eine HRD vermutet. Neben der Analyse dieser zugrundeliegenden Veränderungen können auch ihre Auswirkungen, große genomische Defekte, so genannte genomische Narben, als Biomarker zur Stratifizierung von Patientinnen für eine PARP-Inhibitor-Therapie verwendet werden. Zu diesen genomischen Narben gehören der Verlust der Heterozygotie (LOH = loss of heterozygosity), das allelische Ungleichgewicht der Telomere (TAI = telomeric allelic imbalance) und große Umlagerungen (LST = large scale state transitions).

Um zentrale Tests ohne Zugang zu Patientendaten zu vermeiden, ist ein lokaler Testalgorithmus zur Patientenstratifizierung erforderlich. Der Test auf BRCA-Mutationen durch Parallelsequenzierung ist seit einigen Jahren in die klinische Gesundheitsversorgung integriert. Für genomische Instabilität werden verschiedene Methoden wie SNP-Arrays oder verschiedene Parallelsequenzierungsansätze evaluiert. Um diese verschiedenen Ansätze mit der zentralen Testmethode (Myriad MyChoice CDx) zu vergleichen, wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Pathologie der Uniklinik Köln eine deutsche multizentrische technische Vergleichsstudie initiiert. Die Ergebnisse zeigten, dass für die klinische Versorgung gezielte Panels mit einem SNP-Backbone die beste Lösung sein könnten. Sie ermöglichen den gleichzeitigen Nachweis von BRCA-Mutationen und genomischen Defekten.

Das Hauptziel dieses Projekts ist die Analyse und Definition von Mechanismen, die an der homologen Rekombinationsreparatur beteiligt sind und HRD-Positivität verursachen. Zu diesem Zweck wird ein Next Generation Sequencing (NGS)-Panel implementiert, validiert und automatisiert, das den Mutationsstatus von 34 HRR-assoziierten Genen und anderen Genen analysiert. Der molekulare Mechanismus und die molekularen Effekte (Lebensfähigkeit der Zelle/Sensitivität gegenüber verschiedenen Therapieoptionen) werden in vitro analysiert. Zu diesem Zweck werden identifizierte Mutationen in HR-bezogenen Genen in einer Zelllinie durch einen CRISPR/Cas9-induzierten Knockout nachgeahmt. Um den Zusammenhang mit dem Ansprechen auf PARPi weiter zu untersuchen, wird ein Expressionsprofil der HR-relevanten Gene auf RNA-Ebene erstellt. Zusätzlich werden Methylierungsanalysen an HR-relevanten Genen etabliert.

CGI-Clinics: EU-Projekt zur Verbesserung der personalisierten Krebsbehandlung

CGI Clinics ist ein von der EU gefördertes Projekt, das den Aufbau einer Datenbank zur Interpretation von Genmutationen im biologischen und klinischen Kontext (Cancer Genome Interpreter - CGI) zum Ziel hat. Initiiert wurde das Projekt von Dr. Nuria Lopez-Bigas vom Institute for Research in Biomedicine, Barcelona und ihrem Team.17 Kliniken und Institute aus ganz Europa haben sich dem Projekt angeschlossen. Die Molekularpathologien der Unikliniken Köln und Aachen, Mitglieder im „CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf“, sind die einzigen Projektpartner aus Deutschland.

Die größte Problematik bei der Interpretation von Mutationsprofilen besteht aktuell darin, dass den existierenden Plattformen und Datenbanken keine einheitliche Systematik zu Grunde liegt. Eine Folge davon ist ein sehr hoher Zeitaufwand bei der Interpretation der Varianten. Eine weitere Herausforderung ist, dass es viele Mutationsvarianten mit unbekannter Signifikanz gibt, d.h. der genaue Einfluss der Varianten auf den Organismus ist nicht bekannt.

CGI-Clinics will die Interpretation von Genmutationen systematisieren. Es hat sich zum Ziel gesetzt, mit dem Krebsgenom-Interpreter ein leistungsfähiges „One-stop Shop“-Tool aufzubauen, zu optimieren und im klinischen Alltag zu etablieren. Das Tool soll Ärztinnen und Ärzte in ihrer Entscheidungsfindung bei der Auswahl der richtigen Therapie unterstützen. Ziel ist auch, personalisierten Therapien immer weiter zu verbessern. In seiner aktuellen Version wurden die Algorithmen des Cancer Genome Interpreter auf der Grundlage der Analyse der Genome von 28.000 Patienten entwickelt, die mehr als 66 Krebsarten abdecken und der wissenschaftlichen Gemeinschaft in öffentlichen Quellen zur Verfügung stehen. Wenn im Laufe des Projekts neue sequenzierte Tumore hinzukommen, werden die Methoden des maschinellen Lernens die Vorhersagen verbessern und so auch die Interpretation von Tumormutationen für neue Patienten.

Die Daten und Ergebnisse aus dem Projekt werden auch für Patienten zugänglich gemacht. Die Patienten erhalten so die Möglichkeit, ihre Erkrankung besser zu verstehen – und entwickeln auch ein Verständnis für die Wichtigkeit, persönliche Daten für Forschungszwecke zu Verfügung zu stellen.

https://www.cgiclinics.eu/